Sportrix Anita Portrait
Anita Birklbauer
2.12.24

Fitness ist nicht gleich Gesundheit

Nur weil Leute einen Marathon, Ironman, ein Ultra-Event oder viel Sport machen, heißt das nicht automatisch, dass sie unsterblich sind. Extrem fit sind sie auf alle Fälle!

Immer wieder berichten Leute, die top fit sind, von den schweren Lektionen, die sie auf ihrem Weg zur Herzgesundheit gelernt haben. Als z.B. der Marathonläufer Adrian Lehmann 34-jährig im April diesen Jahres während eines Rennens einen schweren Herzinfarkt erlitt, warf dies ein dunkles und auch wahrnendes Licht auf die Realität in unserem Sport: Selbst diejenigen, die sich auf dem Höhepunkt ihrer Laufbahn befinden, können unerwartete und ernste Herz-Kreislauf-Probleme bekommen. Und das hat viele Hobbysportler teilweise schockiert, gibt es doch einige Sportler:innen, die von Herzereignissen berichten.

Radfahrer sind davon immer wieder betroffen gewesen. So musste Sonny Combrelli seine Karriere 2022 aufgrund von Herzproblemen und der Implantation eines Defibrillators beenden. Michael Rogers beendete seine Karriere im April 2016 nach der Entdeckung einer bis dahin unbekannten Herzrhythmusstörung; Johan Vansummeren trat zwei Monate später aufgrund einer Herzanomalie zurück, kurz danach musste auch Gianni Meersman aufgrund einer Herzrhythmusstörung vom Rad steigen.

Und dann gibt es noch die tragischen Geschichten von Fahrern, die aufgrund von Herzproblemen ihr Leben verloren: Der belgische Continental-Fahrer Daan Myngheer starb nach einem Herzinfarkt beim Criterium Internationale oder auch der 21-jährige niederländische Amateur Gijs Verdick.

Auch die ehemaligen Profitriathleten Greg Welch und Emma Carney mussten beide Anfang der 2000er Jahre ihre Karriere aufgrund einer gefährlichen Herzrhythmusstörung, der so genannten ventrikulären Tachykardie, beenden und der Australier Tim Reed musste sich kürzlich einer Ablation unterziehen, um eine supraventrikuläre Tachykardie (SVT) zu beheben.

Und es kann auch später im Leben passieren, nach Beendigung der Profikarrieren: Im Radsport ist Peter Sagan ein aktuelles Beispiel, da er auf einmal nach seiner Karriere von ungewohnte Herzrhythmen berichtete und sich zwei Mal einem Eingriff unterziehen musste. Oder die Triathlon-Legenden und ehemaligen Ironman-Rivalen Dave Scott und Scott Tinley, jetzt beide knapp an die 70 Jahre alt, mussten sich im Abstand von nur wenigen Tagen einer Herzoperation unterziehen, die der Erstgenannte als „Komplikationen durch übermäßiges Langstreckentraining“ bezeichnete, das sein Herz im Laufe der Jahre enorm belastet hatte.

Solche Schilderungen und Erfahrungen - und viele weitere - haben das Bewusstsein für die Bedeutung der Herzgesundheit selbst bei den fittesten Menschen auf der Welt geschärft.

So berichtet etwa Tom Reed, bei dem supraventrikulären Tachykardies (SVT) diagnostiziert wurden, die oft ausgelöst werden, wenn er seinen Körper stark belaste, vor allem, wenn er nahe seiner anaeroben Schwelle trainiere.

Ursprünglich hatte ich nur nur ein- oder zweimal im Jahr, aber 2021 änderte sich das. Ich bemerkte, dass es häufig auftrat, vor allem bei intensiven Trainingseinheiten oder Rennen. Meine Herzfrequenz stieg von etwa 150 auf 220 Schläge pro Minute an, so dass mir schwindlig wurde und ich aus dem Rhythmus kam.Wenn Sie sich die Berichterstattung über die 70.3-Weltmeisterschaften 2021 in St. George ansehen, werden Sie sehen, wie ich in meiner Badehose auf das Rad springe, was ich in meiner Karriere noch nie getan habe. Als ich mit einer SVT aus dem Wasser kam, war alles verschwommen und ich fühlte mich nicht gut. Zu sehen, wie ich diesen Fehler machte, erschien mir damals lustig, und die Leute haben darüber gelacht. Aber die Wahrheit ist, dass mein Herz völlig aus dem Rhythmus war und ich das Rennen nicht beenden konnte.

Zunächst will ich gleich mal die wichtigsten Dinge aus dem Weg räumen: Bewegung hat enorm positive Auswirkungen auf die Gesundheit! Es ist erwiesen, dass leichte und mäßige körperliche Betätigung das Leben verlängern und schwere Gesundheitsprobleme verringern kann. Genauer gesagt, steht Bewegung in Verbindung mit:

  • Geringeres Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen
  • Weniger Diabetes
  • Weniger Krebserkrankungen (insbesondere Brust- und Darmkrebs)
  • Geringere Anzahl von Depressionen
  • Verbesserter Blutdruck

Internationale Richtlinien empfehlen daher mindestens 150 Minuten mäßige bis kräftige Bewegung pro Woche. Das Problem für die öffentliche Gesundheit ist klar: Wir brauchen mehr Menschen, die sich regelmäßig bewegen.

Gibt es zu viel Sport?

Derzeit wird durchaus intensiv darüber diskutiert, ob man zu viel Sport treiben kann und dadurch einige der gesundheitlichen Vorteile des Sports zunichte macht. Diese Debatte wird durch die Tatsache angeheizt, dass es einige „Verletzungen“ gibt, die häufiger auftreten, wenn sehr viel Sport getrieben wird.

Ähnlich wie bei einem Tennisspieler das Risiko einer Ellbogen- oder Schulterverletzung oder bei einem Bergläufer die Gefahr einer Achillessehnenentzündung besteht, wird das Herz bei Ausdauersportarten stark beansprucht, und es wird behauptet, dass es dadurch einem erhöhten Risiko einer „Überlastungs“-Verletzung ausgesetzt sein könnte.

Obwohl wir über Berge von Beweisen für die Vorteile von Sport verfügen, stammen die meisten davon von Menschen, die sich in weitaus geringerem Maße sportlich betätigen als Leistungssportler oder hochaktive Freizeitsportler.

Ein berühmter Epidemiologe namens Steven Blair prägte einst den Begriff „Asymptote des Nutzens“ und bezog sich damit auf die Tatsache, dass der Nutzen von Bewegung bei einer bestimmten „Dosis“ zu stagnieren scheint. Diese Dosis war die Menge an Training, die es jemandem ermöglichte, langsam zu joggen (10 metabolische Äquivalente oder VO2 = 35 ml/min/kg).

Eines ist ganz klar: Die gesundheitlichen Vorteile, die sich ergeben, wenn man von einer untrainierten oder sitzenden Person zu einer mäßig fitten Person wechselt, sind viel größer als wenn man von einer durchschnittlich fitten zu einer superfitten Person wechselt.

Eine Tatsache stimmt aber, Ausdauersport hat eine tiefgreifende Wirkung auf das Herz. Das Herz eines gut trainierten Sportlers kann doppelt so groß sein wie das eines Nicht-Sportlers.

Größe des Herzens

Das Training führt zu einer Vergrößerung des Herzens (oft als „Sportlerherz“ bezeichnet), und es ist die wichtigste Anpassung, die es dem Sportler ermöglicht, während des Trainings größere Blutmengen zu den Muskeln zu pumpen.

Dies ist ein entscheidender Faktor für die sportliche Leistung, da bei intensiverem Training mehr Brennstoff benötigt wird, der mit Sauerstoff verbrannt werden muss. Der Sauerstoff wird über das Blut zugeführt, und je mehr Blut zu den Muskeln gepumpt wird, desto besser ist die Leistungsfähigkeit.

Trotz ähnlicher Brustgröße ist das Herz eines Sportlers größer wie das Herz eines Nicht-Sportlers.

Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Größe des Herzens eines Sportlers und seiner VO2max, einem Maß für die maximale Sauerstoffmenge, die der Körper während des Trainings nutzen kann. Dies ist eine wichtige Determinante für die sportliche Leistung, aber nicht das A und O. Es gibt viele andere physische und psychologische Faktoren, die die Leistung eines Sportlers bestimmen. Nichtsdestotrotz haben Spitzenausdauersportler fast durchgängig hohe VO2max-Werte.

Ist es also gut oder schlecht, ein großes Herz zu haben? Aus Sicht der sportlichen Leistung ist die einfache Antwort, dass ein großes Herz gut ist. Größerer Motor = mehr Blutfluss. Bei vielen Herzkrankheiten wird ein großes Herz jedoch mit Problemen in Verbindung gebracht, und so haben sich viele Herzspezialisten gefragt, ob Sportler mit sehr großen Herzen möglicherweise ein etwas höheres Risiko für einige Probleme haben.

Eines der Hauptprobleme, die wir bei großen Herzen (im nicht-sportlichen Bereich) beobachten, sind vermehrte Herzrhythmusstörungen. Daher wurde die Befürchtung geäußert, dass dies auch bei Sportlern der Fall sein könnte. Die stärksten Beweise dafür gibt es für das Herzrhythmusproblem namens „Vorhofflimmern“.

Vorhofflimmern (VHF) ist die häufigste Herzrhythmusstörung bei Menschen im mittleren oder höheren Alter. Anstelle einer normalen, regelmäßigen Weiterleitung elektrischer Signale durch das Herz kommt es zu einem zufälligen Abfeuern elektrischer Signale aus den oberen Herzkammern (den Vorhöfen), was zu einem unregelmäßigen Herzschlag führt, der oft schneller ist, als es für das Aktivitätsniveau normalerweise angemessen wäre.

Manche Patienten sind sich gar nicht bewusst, dass sie Vorhofflimmern haben, während andere Patienten durch das unangenehme Gefühl eines unregelmäßigen Herzrhythmus, Müdigkeit und Atemnot stark beunruhigt sind. Vorhofflimmern ist nicht lebensbedrohlich, kann aber sehr lästig sein und ist außerdem mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko verbunden. Vorhofflimmern ist oft unangenehm, manche merken es, manche nicht und kann in den meisten Fällen recht wirksam behandelt werden.

In fast allen Studien wurde eine höhere Vorhofflimmerrate bei Ausdauersportlern im Vergleich zu Nichtsportlern festgestellt. Wichtig ist, dass diese übermäßige Häufigkeit von Vorhofflimmern nicht bei weiblichen Sportlern beobachtet wurde und der Unterschied zwischen den Geschlechtern nicht einfach durch den geringeren Anteil von Frauen in Ausdauersportkohorten erklärt werden kann.

In einem Review, in dem Daten aus sechs aktuellen Studien zusammengefasst wurden, wurde das Vorhofflimmern-Risiko bei Sportlern auf das Fünffache des Risikos bei vergleichbaren nicht-sportlichen Kontrollpersonen geschätzt. Ähnliche Ergebnisse wurden in sehr großen Bevölkerungsstudien beobachtet, doch liegt das relative Risiko eher bei einem Anstieg um das Zweifache. Viele Ergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass Ausdauersport eindeutig mit einem erhöhten Vorhofflimmern-Risiko verbunden ist, dass das Risiko jedoch eher doppelt als fünffach ist.

Herzinfarkte im Ausdauersport?

Man muss das Ganze jedoch auch relativieren. Denn diese Ereignisse sind mit etwa 1 von 100.000 Sportlern sehr ungewöhnlich. Gerade auch deswegen ist es sehr umstritten, ob sie bei Sportler häufiger auftreten als bei Nicht-Sportler. Es wird noch lange dauern, bis wir wirklich wissen, ob Sportler ein höheres Risiko für einen Herzstillstand aufgrund von Herzrhythmusstörungen haben, denn glücklicherweise sind diese Ereignisse so selten.

Zusammenfassend lässt sich jedoch Folgendes sagen:
Wir wissen:
  • Leichte und mäßige körperliche Betätigung ist gut für uns und mehr Menschen sollten sich sportlich betätigen.
  • Es ist noch nicht klar, ob es so etwas wie „zu viel Bewegung“ für das Herz gibt.
  • Training bewirkt eine Vergrößerung des Herzens, was gut für die Leistungsfähigkeit ist. Es gibt Spekulationen, dass diese Vergrößerung auch das Risiko für einige Herzrhythmusstörungen, wie z. B. Vorhofflimmern, leicht erhöhen könnte.
  • Wir wissen, dass Vorhofflimmern bei Ausdauersportlern häufiger vorkommt als bei Nichtsportlern. Die Gründe für diese Häufung sind unklar.
  • Herzinfarkte bei jungen Sportlern werden am häufigsten durch Herzrhythmusstörungen verursacht, aber es ist höchst umstritten, ob solche Herzinfarkte bei Sportlern häufiger auftreten als bei Nicht-Sportlern.
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